Projekt Berliner Unterwelten-Museum

    Die U-Bahnlinie 8

    Berlins interessanteste U-Bahnlinie und unsere »Hausstrecke«
    Am 18. April 1930 fuhr der erste U-Bahnzug durchgehend von Neukölln nach Gesundbrunnen und verband auf dieser Strecke die Wohnviertel der Arbeiter mit dem Zentrum der Stadt und zahlreichen anderen Schnellbahnen. Bis es allerdings so weit war, mussten Planung und Bau der unterirdischen Strecke den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen Tribut zollen, worin die lange Zeitspanne von 16 Jahren zwischen dem Beginn der Bauarbeiten und der Inbetriebnahme dieser Linie begründet liegt.

    Die Vorgeschichte des Berliner U-Bahnbaus
    Als in der expandierenden Metropole Berlin die Industrialisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer rascher voranschritt, stieg mit ebenso raschem Tempo die Nachfrage nach Verkehrsmitteln, um die großen Scharen an Arbeitern zu den Produktionsstätten zu bringen. Straßenbahnen und Busse konnten diesem Ansturm allein nicht mehr gerecht werden, Massenverkehrsmittel wurden benötigt. Stadt- und Ringbahn sowie die Siemens'sche elektrische Hoch- und Untergrundbahn erfüllten die Kriterien, deckten aber nur wenige nachgefragte Verkehrsverbindungen ab. Vor allem in Nord-Süd-Richtung fehlten noch leistungsfähige Verbindungen.
    Nachdem bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Investitionen in Verkehrsinfrastruktur, -mittel und den Betrieb ausschließlich privat organisiert stattfanden, erkannten die Stadtverwaltungen in den expandierenden Städten im beginnenden 20. Jahrhundert die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung. Ausschließlich profitorientierte und privatfinanzierte Verkehrsprojekte konnten dem politischen Anspruch, das städtische Wachstum zu steuern, nicht mehr gerecht werden. Als erste eigenständige Stadt im Bereich des heutigen Berliner Stadtgebietes konnte das reiche Schöneberg 1910 seine eigene Untergrundbahn eröffnen (die Schöneberger Untergrundbahn, heute U4).
    Aber auch Berlin plante städtische Schnellbahnen. Auf drei Relationen wurde der vordringliche Bedarf nach Hoch- und Untergrundbahnen erkannt. Es waren eine Verbindung aus dem westlichen Wedding durch die Friedrichstraße nach Tempelhof und Rixdorf (dem heutigen Neukölln), eine Verbindung aus Moabit, vorbei an den Kopfbahnhöfen Lehrter Bahnhof, Potsdamer Bahnhof und Görlitzer Bahnhof nach Treptow, und eine Linie aus dem östlichen Wedding über den Alexanderplatz nach Rixdorf. Es fehlten jedoch sowohl die Kapazitäten als auch die finanziellen Mittel, um alle drei Linien in annehmbarer Zeit umsetzen zu können. So kam es letztendlich doch wieder zum Einsatz privaten Kapitals. Am profitabelsten erschien die Linie von Gesundbrunnen nach Rixdorf. Gleich zwei Gesellschaften bewarben sich um eine Konzession für Bau und Betrieb einer Bahn auf dieser Relation. Es waren die Continentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen aus Nürnberg, die in Barmen-Elberfeld (heute Wuppertal) die dortige Schwebebahn errichtete, und die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) aus Berlin, die bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich Erfahrungen mit der Elektrifizierung von Straßenbahnen gesammelt hatte.

    16 Jahre bis zur Inbetriebnahme
    Die AEG setzte sich schließlich mit ihrem Projekt einer Hoch- und Untergrundbahn gegen das Schwebebahnprojekt durch. Ob dies tatsächlich nur auf Grund der überlieferten Angst vor einer Verschandelung der Innenstadt geschah, oder inwieweit auch die zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Kontakte der in Berlin ansässigen Familie Rathenau (Emil Rathenau, der Vater des späteren Außenministers Walter Rathenau, war Gründer und Vorstandsvorsitzender der AEG) Einfluß auf diese Entscheidung nahmen, ist nicht bekannt. 1912 – in noch politisch stabilen Verhältnissen des Kaiserreiches – wurde der Vertrag zwischen der Stadt Berlin und der AEG unterzeichnet. Im Frühjahr 1914 wurde der Bau durch die AEG-Schnellbahn AG, ein extra für diesen Zweck gegründetes Tochterunternehmen, begonnen.
    Das Vorhaben geriet jedoch schnell in Schwierigkeiten. Nur wenige Monate nach dem Baubeginn erfolgten Kriegserklärungen in Europa, der Erste Weltkrieg begann. Schritten zu Beginn die Arbeiten noch planmäßig voran, machten sich bald der Mangel an Fachkräften und vor allem an Fuhrwerken bemerkbar. Die Preise für Baumaterialien stiegen, falls sie überhaupt noch erhältlich waren; eine Wirtschaftlichkeit der Bauunternehmung schien in immer weitere Ferne zu rücken. Während im Jahre 1918 die AEG-Schnellbahn AG die Arbeiten noch auf ein unerlässliches Maß reduzierte, wurde über den Baustellen bereits geschossen. In den stürmischen Zeiten der Novemberrevolution, der Abdankung Kaiser Wilhelm II. und immer wieder aufflammender, gewalttätiger Aufstände und Putschversuche war an eine geordnete Fertigstellung der Schnellbahn, geschweige denn unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Effizienz, nicht zu denken.
    Die AEG-Schnellbahn AG teilte der Stadt Berlin letztendlich mit, dass die 1912 vereinbarten Fristen nicht einzuhalten waren, worauf die Stadt Berlin auf Vertragserfüllung klagte. Die sich über Jahre hinziehende Klage wurde 1923 zugunsten der Stadt Berlin entschieden. In der aufkommenden Inflation sah die AEG-Schnellbahn AG keine andere Möglichkeit mehr, als den Gang in die Liquidation anzutreten. Der Stadt Berlin fiel auf diesem Wege entschädigungslos eine Schnellbahnbaustelle zu.
    Aber auch Berlin war zunächst nicht in der Lage, den Schnellbahnbau fortzusetzen. Erst mit der Stabilisierung von Wirtschaft und Gesellschaft nach Überwindung der Inflation ab Mitte der 1920er Jahre bot sich für Berlin Gestaltungsspielraum. Die »Goldenen Zwanziger« Jahre begannen. 1926 wurde der Bau durch die städtische Nordsüdbahn AG, teilweise mit veränderter Trassenführung fortgesetzt. Nach schnellen Baufortschritten und ersten Teilstreckeneröffnungen ab 1927 blieben jedoch weitere Ausbauplanungen mit der Weltwirtschaftskrise 1929 schon wieder stecken. Der wichtige Anschluss an den Bahnhof Gesundbrunnen und damit die durchgehende Verbindung von Neukölln nach Gesundbrunnen konnte allerdings 1930 noch erfolgen, der Anschluss im Süden an den Bahnhof Hermannstraße, und damit zur Ringbahn, scheiterte dagegen; die Arbeiten an diesem im Rohbauzustand fertigen U-Bahnhof mussten eingestellt werden.

    Die Zeit der Bunkereinbauten
    In den »1000 Jahren« zwischen 1933 und 1945 folgten zwar hochgesteckte Ausbauplanungen, aber nicht einmal der Anschluss an den Ringbahnhof Hermannstraße, wozu nur wenige hundert Tunnelmeter ausgereicht hätten, wurde vollendet. Stattdessen baute man zahlreiche Abstellgleise und ungenutzte Tunnelstutzen in Luftschutz- und Bunkeranlagen um, den Tunnelabschnitt südlich des U-Bahnhofes Leinestraße nutzte man für die Rüstungsproduktion. In einer dieser Anlagen, dem sogenannten Bunker B, am Bahnhof Gesundbrunnen, hat der Berliner Unterwelten e.V. heute seinen Sitz, was die starke Verbindung mit der Geschichte der »spannendsten« U-Bahn-Linie Berlins erklärt. Die Anlage kann im Rahmen der Tour 1 »Dunkle Welten« besucht werden.

    Von der U-Bahnlinie D zur U8
    Aber auch nach Überwindung der Kriegsschäden des Zweiten Weltkrieges konnte die U-Bahnlinie D, wie sie damals hieß, keinem »normalen« Alltag entgegenblicken. Plötzlich verkehrte die U-Bahn nicht mehr unter Bezirksgrenzen, sondern unter der Grenze zweier politischer Blöcke, die sich feindlich gegenüberstanden. Unter dem »Eisernen Vorhang«, und selbst nachdem der Vorhang 1961 zur Mauer wurde, fuhr die U-Bahn weiter – allerdings nur noch als eine klägliche Rumpfbahn. Zwar verband die Linie D nach wie vor noch Neukölln und Gesundbrunnen, unter der Berliner Mitte am Alexanderplatz fuhr sie jedoch im Transit ohne Halt durch. Nach sechs Stationen in Neukölln und Kreuzberg folgten sechs Geisterbahnhöfe unter Ost-Berlin, bevor noch zwei Mal im Wedding, an der Voltastraße und in Gesundbrunnen, gehalten wurde.
    Als dem »eingemauerten« West-Berlin wieder genug finanzielle Mittel zur Verfügung standen, wurde der U-Bahnbau weiter vorangetrieben. Auch die U8, wie sie seit der Umstellung auf Nummern am 1. März 1966 von nun an und bis heute heißt, wurde bedacht. Man plante das Märkische Viertel an das U-Bahnnetz anzubinden. 1977 erfolgte die Verlängerung zur Osloer Straße, wobei der U-Bahnhof Pankstraße als sogenannte Mehrzweckanlage eingerichtet wurde ­­– ein Atomschutzbunker für ca. 3.500 Menschen. Zu besichtigen im Rahmen unserer Tour 3 »Bunker, U-Bahn, Kalter Krieg«.
    Schrittweise wurde die Strecke weiter nach Norden verlängert, 1987 bis zum U-Bahnhof Paracelsusbad.Jedoch reichten die finanziellen Mittel bislang nur für einen Bau bis zum S-Bahnhof Wittenau (fertiggestellt 1994). Man scheiterte nur zwei Stationen vor dem selbstgesteckten Ziel Märkisches Viertel!
    Mit der Wiedervereinigung beider Teile Berlins 1989/1990 erlebte die U8 ihren bisherigen verkehrspolitischen Höhepunkt und auch das größte Fahrgastaufkommen überhaupt. Für zahlreiche Menschen wurde die U8 zum Tor in den Westen. Die Züge waren überfüllt, die Menschen strömten auf den wenigen wiederhergestellten Schnellbahnverbindungen nach West-Berlin, viele mit Zielen in Einkaufsstraßen oder Kaufhäusern. Das im Süden der Bahn direkt am Bahnhof Hermannplatz gelegene Kaufhaus Karstadt war ebenso überfüllt wie die Züge. Erst jetzt, nachdem nach und nach alle Bahnhöfe im Osten Berlins wiedereröffnet werden konnten und auch der südliche Anschluss an die Ringbahn mit Inbetriebnahme des U-Bahnhofs Hermannstraße (Eröffnung am 13. Juli 1996) hergestellt wurde, konnte die Untergrundbahn zwischen Gesundbrunnen und Neukölln die ihr bereits vor fast 100 Jahren zugedachten Aufgaben dauerhaft wahrnehmen.

    Autoren: Dietmar Arnold und Axel Mauruszat, Stand: 3. Mai 2009 (aktualisiert 9. Dezember 2021)

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